Gemeinsame Stellungnahme der ABDA und der AMK

Gemeinsame Stellungnahme
von
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Bundesapothekerkammer
Deutscher Apothekerverband e.V.
und
Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker
vom
8. Juni 2015
zum
Referentenentwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen
BR-Drucksache 257/15

I. Allgemein

Die ABDA, die BAK, der DAV sowie die AMK begrüßen das Gesetzesvorhaben und die damit verbundenen Ziele, die eine Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit in der medizinischen Versorgung herbeiführen. Wir begrüßen es, dass der Ausbau digitaler Kommunikation und Anwendungen zum Nutzen der Patienten weiter vorangetrieben werden. Dabei hat für uns die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) unter gleichzeitiger Bewahrung des Datenschutzes klare Priorität.
Das Gesetzesvorhaben berührt zwei Themenbereiche, die für die Versorgung der Versicherten und die Apothekerschaft gleichermaßen hohe Bedeutung haben: Maßnahmen zur Beförderung der Arzneimitteltherapiesicherheit einerseits und die Schaffung einer zukunftsfähigen Telematikinfrastruktur andererseits.
Die Apothekerschaft sieht die Telematik als bedeutendes Instrumentarium an, um die Grundlagen für eine (noch) bessere und effiziente Patientenversorgung zu schaffen. Sie engagiert sich in diesem Themenbereich vielfältig, darunter auch als Gesellschafter der gematik. Wir begrüßen die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Einbindung der Apothekerschaft, sind aber davon überzeugt, dass eine noch stärkere Einbeziehung gerade im Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit erforderlich ist, um für die Patienten die volle Nutzung der Chancen der Telematik zu ermöglichen.
Dieser Überzeugung folgend ist die Apothekerschaft im Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit bereits seit längerem an verschiedenen Projekten maßgeblich beteiligt. Beispielhaft zu nennen sind das Modellvorhaben nach § 63 SGB V ARMIN, die Beteiligung an einem vom Bundesministerium für Gesundheit ausgeschriebenen Projekt „Erprobung eines Medikationsplanes in der Praxis hinsichtlich Akzeptanz und Praktikabilität“ (PRIMA) sowie den Aktionsplänen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland des Bundesministeriums für Gesundheit. Umso wichtiger ist es, die Expertise der Apothekerschaft auch in den zugehörigen Konkretisierungen des vorliegenden Gesetzentwurfes noch stärker zu verankern.
Im vorliegenden Gesetzentwurf wird jedoch die Unterscheidung zwischen der Verbesserung und Strukturierung der Datengrundlagen für Maßnahmen zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit einerseits und den Maßnahmen selbst noch nicht hinreichend deutlich.

II. Zu den Regelungen im Einzelnen

Zu Artikel 1Nr. 2 (§ 31 a SGB V – Medikationsplan)

Wir begrüßen, dass mit dem Anspruch des Versicherten auf die Erstellung eines Medikationsplanes ein weiterer Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit geleistet werden soll. Die elektronisch unterstütze Erstellung eines Medikationsplans wird aktuell in ARMIN, der Erprobung des ABDA-KBV-Modells in einem Modellvorhaben nach § 63 SGB V, umgesetzt. Außerdem fördert das Bundesministerium für Gesundheit aktuell drei Projekte im Rahmen der Ausschreibung „Erprobung eines Medikationsplanes in der Praxis hinsichtlich Akzeptanz und Praktikabilität“. Die in diesen Projekten gewonnenen Erfahrungen zur Erstellung und Umsetzung eines Medikationsplans sollten berücksichtigt werden.

Wir schlagen vor, § 31a SGB V wie folgt zu ändern:

1. In Absatz 1 Satz 1 wird nach den Worten „(…) durch einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt“ folgendes eingefügt: „oder die vom Versicherten gewählte Apotheke.“

Begründung:
Eine gemeinsam von Arzt und Apotheke, nach definierten Regeln durchzuführende Erstellung eines Medikationsplans ist zwingend, da nur so ein möglichst vollständiger und abgestimmter Medikationsplan erstellt werden kann. Die Datenbasis, auf der ein Medikationsplan erstellt und die Arzneimitteltherapiesicherheit bewertet wird, ist entscheidend für die Qualität und den Nutzen eines entsprechenden Plans. Dies ist in der Versorgungsrealität kein leicht zu erreichendes Ziel. Zahlreiche Studien haben belegt, dass zwischen den Informationen zu den angewendeten Arzneimitteltherapien aus Arztpraxen, Apotheken und durch Patienten selbst erhebliche Differenzen bestehen. Keine der Datenquellen ist ausreichend zuverlässig, um alleine zur Erstellung eines Medikationsplans verwendet werden zu können. Deshalb müssen diese Informationen (des hauptsächlich betreuenden Arztes, der hauptsächlich betreuenden Apotheke und der Eigenauskunft des Patienten) zusammen geführt werden.

Dies belegen auch folgende Feststellungen:

Bei etwa 75 % der Patienten wurden Diskrepanzen zwischen den Arztdaten und den von den Patienten eingenommenen Arzneimitteln festgestellt, wobei die häufigsten Diskrepanz (über 50 %) war, dass Patienten weitere
Arzneimittel einnahmen, die nicht bekannt/nicht dokumentiert waren. Hierdurch besteht ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Nach einer Studie von Tulner et al. kommt es bei etwa 25 % aller geriatrischen Patienten durch Arzneimitteleinnahmen, die nicht der ärztlichen Dokumentation entsprechen, zu unerwünschten Ereignissen, wie beispielsweise Arzneimittelinteraktionen oder Therapieversagen. Hauptgründe für das Fehlen von Arzneimitteln in ärztlichen Medikationslisten sind neben organisatorischen Aspekten und Dokumentationslücken vor allem fachärztlich verordnete Arzneimittel sowie Arzneimittel der Selbstmedikation. Ein weiteres Argument für eine konsequente Berücksichtigung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln der Selbstmedikation ist deren wachsende Bedeutung. So umfassen die Arzneimittelpackungen, die ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden, inzwischen knapp 40 % aller abgegebenen Arzneimittelpackungen in Apotheken. Und gerade chronisch kranke Menschen führen häufig Selbstmedikationen durch. So nahmen beispielsweise in einer Studie mit 161 Patienten mit Herzinsuffizienz 88 % ein Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung.

2. In Absatz 1 wird ein Satz 2 eingefügt:
„Versicherte haben Anspruch auf Erstellung und Aushändigung des Medikationsplans nach Maßgabe der Vereinbarung nach Absatz 6 [neu].“
Begründung:
Ziel eines Medikationsplans ist es, dem Patienten ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das ihm, nach einer Beratung zur Anwendung, eine korrekte Einnahme bzw. Anwendung seiner Arzneimittel einschließlich der Selbstmedikation ermöglicht. Dafür ist es erforderlich, dass die Vertragspartner sich darüber vereinbaren, grundlegenden Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung des Medikationsplanes zu legen.
3. In Absatz 2 wird folgender Satz 1 eingefügt:
„Ein Medikationsplan ist ein Dokument für den Patienten, das ihm eine korrekte Einnahme bzw. Anwendung seiner Arzneimittel ermöglicht.“
Begründung:
Ziel eines Medikationsplans ist es, dem Patienten ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das ihm nach einer Beratung zur Anwendung eine korrekte Einnahme bzw. Anwendung seiner Arzneimittel ermöglicht und nicht nur Präparate auflistet. Dafür wird angegeben, welche Arzneimittel in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt angewendet werden. Zudem
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können beispielsweise Besonderheiten der Applikationsart und der Lagerung zur Erläuterung der Anwendung aufgeführt werden.
4. Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 2 sind die Worte „(…) mit Anwendungshinweisen (…)“ zu streichen.
Begründung:
Wichtig ist, dass der Versicherte insbesondere Angaben zur Dosierung, Art und Häufigkeit aller seiner Arzneimittel, die er anwendet, in übersichtlicher, verständlicher und wiedererkennbarer Form erhält. Diese inhaltlichen Festlegungen sind Gegenstand der Vereinbarung nach Absatz 6 [neu]).
b) Nach Satz 1 wird ein neuer Satz 2 eingefügt: „Das Nähere regelt die Vereinbarung nach Absatz 6 [neu].“
Begründung:
Es sollten nur die Arzneimittel in einen Medikationsplan aufgenommen werden, die systemisch wirken und dauerhaft angewandt werden. Dies bezieht sich sowohl auf Aspekte der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Therapietreue als auch auf Patientenwünsche. Darüber hinaus benötigt die Erstellung eines Medikationsplanes Anforderungen an den Inhalt und die Qualität. Es ist Aufgabe der Vertragspartner nach Absatz 6 sich auf entsprechende Regelungen zu einigen.
5. Nach Absatz 2 ist ein neuer Absatz 3 einzufügen:
„Vor dem Aushändigen des Medikationsplanes ist eine Medikationsanalyse vorzunehmen. Die Inhalte und die Fragen der Vergütung für die umfassende Erfassung und Dokumentation der Arzneimittel sowie die Erstellung der Analyse sind in einer gesonderten Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis zum 30. April 2016 zu vereinbaren. Absatz 6 [neu] Sätze 2 bis 7 gelten entsprechend.“
Begründung:
Die Erstellung eines Medikationsplanes zur Arzneimitteltherapiesicherheit bedarf zunächst der Erfassung und Bewertung aller Arzneimittel, die den
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Leistungserbringern bekannt sind bzw. vom Versicherten angegeben werden. Um dem Versicherten einen Medikationsplan erstellen zu können, bedarf es darüber hinaus einer vorausgehenden Medikationsanalyse. Dabei muss die Arzneimitteltherapiesicherheits-Prüfung, mit Bewertung und erforderlichen Interventionen hinsichtlich definierter Mindeststandards erfolgen. Sowohl pharmazeutische als auch medizinische Parameter sind zu prüfen. Diese Leistungen sind nicht in der Information und Beratung nach den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung enthalten. Sie erfordern Zeit und sind gesondert zu vergüten. Die Vereinbarung der Einzelheiten der Leistung und der Vergütung sollen auf der Ebene der Selbstverwaltung erfolgen. Verhandlungspartner sind dementsprechend die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
6. Nach Absatz 3 [neu] ist ein neuer Absatz 4 einzufügen:
„Der vom Versicherten gewählte Arzt, die mitbehandelnden Ärzte und die vom Versicherten gewählte Apotheke sind verpflichtet, zur Vervollständigung der Dokumentation zur Erstellung und Fortschreibung des Medikationsplans zusammenzuarbeiten. Das Nähere regelt die Vereinbarung nach Absatz 6 [neu].“
Begründung:
Um eine erforderliche Kooperation von Ärzten und Apotheken sinnvoll zu gestalten, müssen Vereinbarungen zur Kooperation getroffen werden, unabhängig davon, ob der Arzt oder der Apotheker den Prozess ausgelöst vom Versicherten beginnt. Es bedarf Regelungen der Arbeitsteilung zwischen der pharmazeutischen und der medizinischen AMTS-Prüfung sowie des Datenaustausches.
Das arbeitsteilige Zusammenwirken ist von der Selbstverwaltung in der Vereinbarung nach Absatz 6 [neu] zu regeln.
7. Absatz 3 [alt] wird zu Absatz 5 [neu] und wird wie folgt gefasst:
„Der vom Versicherten gewählte Arzt oder die vom Versicherten gewählte Apotheke haben den Medikationsplan regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren, wenn er Kenntnis davon erlangt, dass eine Änderung der Medikation eingetreten ist.“
Begründung:
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Um die Aktualität des Medikationsplans zu gewährleisten ist eine regelmäßige Überprüfung und bei Änderungen eine Aktualisierung erforderlich.
8. Absatz 4 [alt] wird zu Absatz 6 [neu]. Satz 1 beginnt wie folgt:
„Die Qualitätsanforderungen zu Inhalt und Struktur des Medikationsplans, die von den Medikationsplan erstellenden und fortschreibenden Leistungserbringer zu dokumentierenden Parameter, Regeln zur Arbeitsteilung und Zusammenarbeit sowie Regelungen zur Beachtung des Datenschutzes vereinbaren (…)“
Begründung:
Ein Medikationsplan muss, um die Arzneimitteltherapiesicherheit eines Patienten zu fördern, bestimmte Qualitätsanforderungen (Mindeststandards) erfüllen. Wir erachten es für unabdingbar, dass die Spezifikation für einen bundeseinheitlich patientenbezogenen Medikationsplan die Ergebnisse der Koordinierungsgruppe zur Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplanes zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland des Bundesministeriums für Gesundheit berücksichtigt. Dies setzt voraus, dass die arzneimitteltherapiesicherheitsrelevante Medikation möglichst vollständig aufgeführt und aktuell ist. Ferner muss der Plan aktuell sein. Sowohl pharmazeutische als auch medizinische Parameter sind zu prüfen. Der erstellte Plan muss weitgehend standardisiert und verständlich sein, so dass er für den Patienten einen Wiedererkennungseffekt hat.
9. Nach den Worten „(…) die Bundesärztekammer (…)“ wird eingefügt:
„und die Bundesapothekerkammer (…)“
Begründung:
Da es sich auch um pharmazeutische und berufsrechtliche Inhalte handelt, die Gegenstand der Vereinbarung sein sollen, ist es erforderlich, dass neben der Bundesärztekammer auch die maßgebliche Institution für die Apothekerschaft, die Bundesapothekerkammer, Vertragspartner der zu schließenden Vereinbarung ist.
Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 87 Absatz 1 SGB V)
Wir schlagen vor, in § 87 Absatz 1 Satz 2 nach den Worten „Vordrucke und Nachweise“ die Worte: „im Einvernehmen mit der die für die Wahrnehmung der wirtschaftliche Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation
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der Apotheker“ einzufügen.
Begründung:
Die Nachweise und Vordrucke, die Gegenstand der ärztlichen Versorgung sind, werden derzeit zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbart. Die Interessen und Belange der Apothekerschaft finden keine ausreichende Berücksichtigung, da der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker nur eine beratende Funktion zukommt. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Belange und Interessen der Apothekerschaft und die für sie abzubildenden notwendige Prozesse und Änderungen auf den Verordnungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Bei der Festlegung des Prüfauftrages zu dem Arzneiverordnungsdatensatz ist zu bestimmen, dass das Einvernehmen mit der die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker herzustellen ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Inhalte des Datensatzes als auch bezüglich Regelungen zur zeitlichen Umsetzung.
Zu Artikel 1 Nr. 11 (§ 291a SGB V)
Wir begrüßen, dass die elektronische Gesundheitskarte geeignet sein muss, neben der Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit auch die Anwendung des Medikationsplans nach § 31 a Absatz 2 zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen der dazugehörigen Daten.
Zu Artikel 1 Nr. 11i (§ 291a Absatz 7b SGB V)
Die Erstellung des Medikationsplans und seine Aktualisierung sind keine mit der Abgabe von einzelnen Arzneimitteln im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, die Gegenstand der Information und Beratung durch den Apotheker darstellen. Der vom Arzt und Apotheker zu betreibende Aufwand zur Medikationsanalyse und Erstellung sowie Fortschreibung des umfänglichen Medikationsplans nach § 31a SGB V erfordert zwingend eine gesonderte Vergütung in gleicher Höhe. Für den Apotheker ist – im Gegensatz zum Arzt – eine Vergütung bislang nicht vorgesehen.
Zu Artikel 1 Nr. 13 (§ 291c SGB V)
Wir begrüßen die Klarstellung, dass das Schlichtungsverfahren auch für den Wirkbetrieb gilt.

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